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Erfahrungsberichte, Nicaragua

Michael Neu: Wichtigste Zeit meines Lebens

Interview

Michael Neu hat 2019 maturiert und dann einen einjährigen Sozialdienst, der auch als Zivildienst angerechnet wird, im IPLS/León, der Partnerschule der HTL Braunau, abgeleistet. Im Interview erzählt er von seinen sehr positiven Erlebnissen in Nicaragua und davon was für ihn der Ertrag dieses Jahres war.

Chica-Austria

Du hast 2019 an der HTL Vöcklabruck maturiert und dich dann entschlossen deinen Zivildienst im Rahmen der ARGE Schulpartnerschaft HTL Braunau – IPLS/León abzuleisten.  Was war für dich ausschlaggebend für diese Entscheidung? Wie bist du konkret auf diese Einsatzstelle gekommen? Wie hast du dich vorbereitet auf den Einsatz in Nicaragua?

Michael

Ich habe von Anfang an gewusst, dass ich etwas Besonderes machen wollte. Ich wollte nicht das machen, was auch alle schon machen. Die Möglichkeit, die die ARGE Schulpartnerschaft HTL Braunau – IPLS/León jungen Leuten wie mir bot, sah ich als meine Chance etwas zu machen, an das ich mich mein Leben lang erinnern werde.

Ich wurde in meinen Vorbereitungen tatkräftigt von den Mitgliedern der ARGE Schulpartnerschaft unterstützt und mit vielen Tipps versorgt. Aber auch meine Mutter, die Nicaragua bereits mehrmals besucht hatte, konnte mir Ratschläge mit auf den Weg geben.

Chica-Austria

Du bist im August 2019, nachdem dich Bundespräsident van der Bellen mit den anderen Auslandszivildienern gesandt hat, nach Nicaragua gereist. Wie bist du dort aufgenommen worden und was waren deine Tätigkeiten zu Beginn deines Einsatzjahres?

Michael

Ich wurde dort herzlich und mit offenen Armen von meiner Gastfamilie, meinen Arbeitskollegen, meinen Ansprechpersonen und vielen anderen Menschen aufgenommen. Ich war positiv überrascht, wie schnell ich mich in der doch so fremden und neuen Umgebung wohl fühlte und das ist zum größten Teil den so freundlichen, herzensguten, offenen, fürsorglichen und liebevollen Menschen in Nicaragua zu verdanken.

Zu Beginn meines Einsatzjahres unterstützte ich das Lehr- und Instandhaltungspersonal eines Büros des IPLS in alltäglichen Tätigkeiten. Außerdem half ich einem Team aus ausgewählten Lehrkräften dabei eine defekte CNC-Maschine wieder in Gang zu bringen.

Chica-Austria

Du warst bei einem Lehrer des IPLS untergebracht. Wie ist es dir mit der Kontaktaufnahme zu deinem Umfeld gegangen? Wie weit gab es Verständigungsprobleme bzw. wie ist es dir mit dem Spanisch-Lernen ergangen?

Michael

Zu Beginn war alles sehr ungewohnt und neu für mich, doch schon nach kurzer Zeit konnte ich mich mit der Umgebung anfreunden und fühlte mich darin auch wohl. Ich hatte zwar bereits ein wenig Spanischkenntnisse, als ich nach Nicaragua kam, aber ich konnte noch kaum ein Wort sprechen. Doch umso mehr Zeit verstrich, desto mehr Wörter kannte ich, also verstand ich auch mehr und ich konnte immer flüssiger sprechen. Als ich mich erst einmal besser verständigen konnte, fing es erst richtig an Spaß zu machen, eine andere Sprache zu erlernen und in eine ganz andere Welt einzutauchen. Zum Glück hatte ich auch Unterstützung von einer Lehrkraft aus dem IPLS, welche mir mit Spanischstunden den Start erleichterte.

Chica-Austria

Du hast einige Zeit mit Arbeiten an den CNC-Projekten und mit dem E-Lastenfahrrad-Projekt verbracht und warst auch intensiv mit der Containerannahme und der Verteilung der gelieferten Teile beschäftigt. Welche Arbeiten haben dir besonders Freude bereitet und was hast du durch deine Tätigkeiten in León gelernt?

Michael

Mir hat das Arbeiten an allen Projekten sehr gut gefallen, wo ich Kontakt zu den Menschen hatte und das Personal des IPLS bei ihren Tätigkeiten unterstützen konnte. Die Containerannahme war natürlich ein sehr aufregendes und spannendes Projekt, da so etwas Großes nicht so oft geschieht und ich habe mich sehr gefreut, dass ich dabei sein durfte.

Ich habe gelernt, bei einer Aufgabe gemeinsam an einem Strang zu ziehen und so schneller und besser an sein Ziel zu gelangen. Außerdem habe ich gelernt, dass bei allem, was man tut, immer unerwartete Ereignisse einem den Weg blockieren können, doch dass man sich davon nicht aufhalten lassen darf, sondern improvisieren und einem anderen Lösungsansatz nachgehen sollte.

Chica-Austria

Der zweite Teil deines Aufenthaltes war vor allem durch die Corona-Pandemie geprägt. Was hat sich dadurch in León und im IPLS verändert? Du hättest die Möglichkeit gehabt, deinen Auslandsdienst abzubrechen, warum bist du in Nicaragua geblieben?

Michael

Vor allem aufmerksam wurde ich, als die Corona-Pandemie immer öfter zum Gesprächsthema wurde und die Leute anfingen, Masken zu tragen. Auch in der Stadt nahmen immer mehr Geschäfte Masken in ihr Sortiment auf. Zu Anfang war das Zentrum in León voll mit Touristen, doch nach und nach verließen immer mehr von ihnen das Land aus Unsicherheit vor der Pandemie.

Im IPLS wurden auch Maßnahmen ergriffen, um den direkten Kontakt zu anderen zu vermeiden und große Menschenansammlungen zu unterbinden. Generell herrschte überall Maskenpflicht, Fiebermessung am Eingang und Desinfektion der Hände. Recht bald mussten auch alle Schüler zu Hause bleiben und der Unterricht wurde, so gut es ging, auf „Distance learning“ umgestellt.

Ich sah den Auslandsdienst als meine Pflicht an und es stand für mich fest, dass ich diesen auch wie geplant beenden werde, was immer auch passieren mag. Ich hatte keine Angst vor der Corona-Pandemie und ich habe meinen Aufenthalt in Nicaragua unglaublich genossen, deshalb sah ich auch keinen Grund dazu, meinen Dienst vorzeitig zu beenden.

Chica-Austria

Wenn du im Rückblick deinen Aufenthalt bewertest, warum würdest du wieder einen Auslandszivildienst machen bzw. warum hättest du Bedenken?

Michael

Ich würde jede Gelegenheit ergreifen, einen Auslandszivildienst wie diesen noch einmal zu erleben. Für mich war es eine der positiv prägendsten Erfahrungen in meinen bisherigen 21 Jahren und ich kann mir nicht mehr vorstellen, wie es sein würde, hätte ich mich dagegen entschieden diesen Auslandzivildienst zu machen.

Chica-Austria

Wenn du Interessenten bzw. Interessentinnen an einem Auslandsdienst in Nicaragua beraten müsstest, welche drei Ratschläge würdest du ihnen geben?

Michael

Seid mutig! Lasst euch ins kalte Wasser fallen und davon überraschen, was Nicaragua für euch bereit hält! Nutz die Chance einmal weit weg von Zuhause und eurem gewohnten Umfeld zu sein und denkt über alles nach, wofür ihr normalerweise in eurer stressigen Routine keine Zeit hättet!

Chica-Austria

Du bist – coronabedingt – mit etwas Verspätung nach Österreich zurückgekehrt. Was machst du gerade? Hast du vor, ein Studium zu absolvieren oder wirst du direkt in die Arbeitswelt einsteigen?

Michael

Ich studiere nun an der Fachhochschule in Wels in der Fachrichtung Automatisierungstechnik. Ich habe vor mein Studium abzuschließen und was danach kommt, wird sich bestimmt ergeben.

Chica-Austria

Dieses Jahr in Nicaragua hat sicher einen großen Eindruck bei dir hinterlassen. Hat dich dein Aufenthalt in deiner Sicht auf die globalen Zusammenhänge massiver beeinflusst? Planst du in absehbarer Zeit einen Besuch in Nicaragua?

Michael

Um ehrlich zu sein, hat es mich viel massiver beeinflusst, als ich es mir je hätte vorstellen können. Ich bin in eine andere Welt eingetaucht und habe die Dinge von außen und aus einer anderen Perspektive betrachtet. Ich habe vieles was bisher als alltäglich und selbstverständlich erschien, in Frage gestellt und habe viele Erkenntnisse für mich und mein Leben daraus gezogen, wofür ich sehr dankbar bin. Ich bin unendlich froh, dass ich die Möglichkeit dazu bekommen habe, dieses eine Jahr in Nicaragua zu verbringen und dieses Erlebnis werde ich niemals mehr vergessen.

Ich habe auf jeden Fall geplant, Nicaragua wieder zu besuchen, doch dafür ist wahrscheinlich noch einige Geduld notwendig.

Chica-Austria

Herzlichen Dank für das Interview und alles Gute!

Michael Neu

.. hat im Sommer 2019 in der HTL Vöcklabruck maturiert.

Von August 2019 bis September 2020 war er Auslandszivildiener im IPLS in León/Nicaragua.