Österreich - Nicaragua - Uganda

Erfahrungsberichte, Nicaragua

Daniel Schmidtner: Gelassenheit und Gemeinschaft

Im Interview

Daniel Schmidtner hat 2015/16 ein Jahr als Zivildiener in unserer Partnerschule dem IPLS León verbracht. Im Interview erzählt er von seiner Tätigkeit und von seinem Leben in León – besonders beeindruckt hat ihn die der Zusammenhalt und die gegenseitige Hilfe in seinem Lebensumfeld.

Chica Austria

Du warst fast ein Jahr in Nicaragua und hast Zivildienst in unserer Partnerschule gemacht. Was waren eigentlich deine Beweggründe für diese Entscheidung?

Daniel

Die Idee für ein Jahr wegzugehen hatte ich schon länger. Nachdem ich Nicaragua außerdem durch die Reise 2013 bereits ein bisschen kannte und sehr positiv in Erinnerung hatte, fasste ich kurzerhand den Entschluss bei Bruno Plunger im Nica-Kammerl nachzufragen, ob für das Jahr 2015/16 noch ein Zivildiener benötigt werden würde. Im Nachhinein offenbaren sich dann immer mehr Gründe, weshalb ich sagen kann, dass dies genau die richtige Entscheidung war. So hegte ich während des stressigen letzten Jahres immer mehr den Wunsch, einfach einmal ein Jahr Auszeit zu nehmen, etwas Neues kennenzulernen und meine Zeit völlig anderes zu verbringen als zuhause.

Chica Austria

Wie muss man sich deine Tätigkeit in Nicaragua vorstellen? Was waren deine Aufgaben?

Daniel

Vorrangig war ich mit der Instandhaltung beschäftigt. Nach 21 Jahren Schulpartnerschaft fiel da so einiges an. So betreute ich mehrere Fotovoltaikanlagen, war aber auch vor allem mit unserer Windkraftanlage beschäftigt. An dieser gab es eigentlich ständig was zu tun, da sie nun doch schon über 20 Jahre alt und dementsprechend fehleranfällig ist. Zum Glück erhielten wir stets Unterstützung von Seiten der Windkraft Simonsfeld, ohne die wir viele Probleme, vor allem was das Besorgen neuer Bauteile betraf, nicht zu lösen im Stande gewesen wären. Des Weiteren war ich am Umzug in unser neues Schulpartnerschaftsgebäude beteiligt, nahm eine Inventur der vorhanden Komponenten des Windkraftwerks vor und organisierte unsere Lagerräume neu.

Chica Austria

An welchen Projekten hast du gearbeitet?

Daniel

Unser Hauptprojekt war, die Energieversorgung des Schulpartnerschaftbüros autark zu gestalten. Hierzu berechneten wir anhand der verwendeten Geräte, wie Computer, Ventilatoren usw., den täglichen Energiebedarf und dimensionierten so die benötigte Anlage. Diese, bestehend aus sechs Solarpaneelen, dem Controller, acht Batterien und einem Wechselrichter installierten wir dann in bzw. auf unserem Gebäude. Falls es aber irgendwann tatsächlich passieren sollte, dass in Nicaragua mal einen Tag lang nicht die Sonne scheint, können wir anhand eines zentralen Schalters jederzeit von Selbstversorger- auf Netzbetrieb wechseln. Ansonsten war ich eher mit Reperaturarbeiten an unseren bestehenden Projekten und der Kommunikation mit Österreich beschäftigt.

Chica Austria

Du hast in León bei einem Lehrer des IPLS und seiner Familie gewohnt. Was waren deine Erfahrungen im Zusammenleben mit deiner nicaraguanischen Umgebung?

Daniel

Im Zusammenleben mit meiner Gastfamilie machte ich sehr positive Erfahrungen. So wurde ich von allen sehr herzlich in die Familie aufgenommen und da wir mit mir miteingerechnet zehn Leute unter einem Dach waren, wurde mir auch nicht so schnell langweilig. Besonders die Enkel meines Gastvater Ramón hielten mich ziemlich auf Trab. Zusätzlich spielt sich in Nicaragua das Leben auf der Straße ab, da es unter den Wellblechdächern einfach zu heiß wird. Egal wo man sich in dieser 150.000-Einwohner-Stadt gerade aufhält, man trifft immer jemanden den  man kennt.

Chica Austria

Wie waren deine Erfahrungen mit den Lehrerinnen und Lehrern, mit den Schülerinnen und Schülern des IPLS?

Daniel

Sowohl Lehrer als auch Schüler werden mir als sehr engagiert und interessiert in Erinnerung bleiben. Beispielsweise wurde ich einmal, von zwei Schülern über meinen Fahrraddynamo ausgefragt, da sie einen solchen so umbauen wollten, dass man sein Handy damit laden könne. Natürlich  waren auch die vielen Schulfeiern und Ausflüge mit der Belegschaft sehr schöne Ereignisse. Alles in allem kann ich sagen, dass das IPLS ein toller Arbeitsplatz ist, an dem ich gern noch länger beschäftigt wäre.

Chica Austria

Wenn du mit deinem Leben in Österreich vergleichst, wie empfindest du die Grundeinstellung, das Lebensgefühl in Nicaragua?

Daniel

In erster Linie würde ich sagen man lebt in Nicaragua spontaner. Es fällt leicht, sich kurzfristig zu verabreden, da beinahe alles innerhalb von Minuten zu erreichen und auch der öffentliche Verkehr sehr gut ausgebaut ist. Natürlich hebt auch der ständige Sonnenschein die Stimmung und ich gehe eigentlich grundsätzlich gut gelaunt durch die Straßen. So würde ich meinen Alltag in Nicaragua generell als sorgloser und unabhängiger denn in Österreich beschreiben.

Chica Austria

Was waren die drei schönsten/bewegendsten Erlebnisse für dich in Nicaragua?

Zuerst fällt mir da die Überraschungsfeier ein, welche mir die Lehrerbelegschaft zum Geburtstag organisiert hat. Ich wusste ursprünglich gar nicht, dass meine Arbeitskollegen von meinem Geburtstag wussten. Als Jaime – der Leiter der Schulpartnerschaft – und ich dann per Anruf verständigt wurden, dass wir uns ins Büro der Direktorin zu einer Disziplinierungsmaßnahme begeben sollten, war ich im ersten Moment völlig verwirrt, da ich mir nicht erklären konnte was uns den jetzt erwarten würde. Dass dann dort alle mit Kaffee und Kuchen warteten, hat mich dann selbstverständlich sehr gefreut.

Ein weiteres schönes Erlebnis war, als ich nach einer längeren Reise wieder nach Hause kam und mir beim die Straße Raufgehen schon die Kinder von meiner Gastfamilie entgegenliefen und sich freuten, dass ich wieder da war.

Eigentlich ist es schwierig konkrete Ereignisse zu finden, die besonders schön waren. Meist waren es die alltäglichen Kleinigkeiten über die ich mich besonders gefreut habe. Beispielsweise die Hilfsbereitschaft, die man oft erfährt. Als wir einmal per Anhalter an den Strand fahren wollten, begann es fürchterlich zu regnen und als das die Familie vor dessen Haus wir standen, das sah, lud sie uns spontan ein, den Schauer bei ihnen drinnen abzuwarten.

Chica Austria

Wenn du einen Wunsch für Nicaragua, insbesondere für dein Lebensumfeld erfüllen könntest, welcher wäre das?

Daniel

Ich würde ihnen vor allem Wünschen, dass sie sich trotz fortschreitender Globalisierung und Technologisierung, viel von ihrer entspannten Lebensweise erhalten können und auch das soziale Miteinander nicht unter der immer größer werdenden Einkommensschere leidet. Allein wenn ich so über das vergangene Jahr nachdenke, oder gar mit meinem ersten Aufenthalt 2013 vergleiche, muss ich schon sagen, dass sich das Land sehr stark verändert hat. Der Stadtkern Leóns war im Vergleich zu damals kaum wieder zu erkennen, so sehr wurde hier renoviert und Geld investiert. Auch sieht man jetzt oft Gruppen von Jugendlichen beisammen sitzen, in denen jeder nur noch in sein Smartphone starrt, aber sich niemand mehr miteinander unterhält. Währenddessen wird 10 Meter weiter noch um Essen gebettelt oder in den ländlicheren Bereichen gibt es Siedlungen die noch völlig ohne Strom und Wasserversorgung sind. Dass man in dieser Hinsicht eine Entwicklung zu einer fairen Gesellschaft ermöglicht, in der allgemein vom Fortschritt profitiert wird, das würde ich Nicaragua wünschen.

Chica Austria

Was nimmst du sozusagen mit aus Nicaragua, wo haben sich deine Einstellungen, wo hat sich dein Denken verändert?

Daniel

Ich denke mir jetzt viel mehr, dass man vieles so akzeptieren muss, wie es ist. Oft ist es doch so, dass man vor Problemen steht auf die man selbst keinen Einfluss hat und man ärgert sich wahnsinnig darüber, flucht und ist dann den halben Tag schlecht gelaunt. Aber in Nicaragua lernt man die Dinge viel mehr so zu akzeptieren wie sie sind, da hier vieles einfach langsamer vonstattengeht und vielleicht ist man so etwas zufriedener mit der Welt.

Chica Austria

Danke für das Gespräch.

Daniel Schmidtner

 … hat im Sommer 2015 in der Abteilung Elektronik/Technische Informatik der HTL Braunau maturiert.

Von Oktober 2015 bis September 2016 war er als Zivildiener in Nicaragua am IPLS tätig. Zur Zeit studiert er an der WU in Wien.